Taschenchaos - Gibt es gute Alternativen zu Fotorucksäcken?

 

Ja, immer diese Schlepperei....

Jeder Fotogeek kommt irgendwann an den Punkt, einen unglaublich großen Haufen an Fotokrempel schonend zur Location bekommen zu wollen; so oft es geht versuche ich mich dabei auf das wesentliche zu reduzieren: Ein Objektiv und ein Body können dabei helfen, fokussiert zu bleiben und unnötigen Ballast auch gedanklich zuhause zu lassen (ja, diesen Satz habe ich aus einem Yogaprospekt abgeschrieben). 

Nehme ich das 21mm mit? Welche Filter könnten nützlich werden? Doch lieber noch ein Tele einpacken?  Von solchen Gedanken kann man sich befreien, wenn man eine wirklich kleine Tasche (z.B. die Peak Design Everyday Sling, ein Erfahrungsbericht folgt in Kürze) als Ausgangspunkt nimmt und versucht das beste aus seinem "kleinen Besteck" zu machen - ganz nebenbei macht der Rücken deutlich weniger komische Geräusche, wenn er statt 25kg auch mal nur 2kg tragen muss. 

 

Dies ist ein wirklich toller Ansatz und klappt auch oft genug sehr gut; allerdings wäre es aber auch ziemlich blauäugig zu glauben, dies wäre immer die sinnvollste Option. Wenn ich nach einer zweistündigen Autofahrt und anschließender dreistündiger Wanderung auf den anvisierten Berg zum Abschluss ein wirklich gutes Foto schießen möchte, soll es bitte nicht am fehlenden Teleobjektiv liegen, das ich wegen meiner "Keep It Simple"-Haltung zuhause gelassen habe. So mache ich es bei größeren Fototouren wie die meisten Fotografen: Ein vollgestopfter Rucksack, Augen zu und schleppen. 

Fotorucksäcke und Taschen von vielen Fotoausrüstern haben dabei oft ein Problem: Aufbau und Funktionalität sind wirklich top, allerdings gibt es sehr häufig Probleme bei der Verarbeitung und beim Wetterschutz. Hier haben oft spezialisierte Outdoorhersteller wie Deuter, North Face, etc. die besseren Produkte am Start, leider ist die Auswahl an dedizierten Fototaschen dann aber meistens sehr gering.  Nach ausgerissenen Gurten und mehreren Wassereinbrüchen hatte ich die Nase aber dermaßen voll, dass ich mich nach strapazierfähigen Alternativen umsehen musste. Besonders die Regenschutzhauben bei vielen Rucksäcken waren für mich ein K.O.-Kriterium. Diese gehen oft schon beim Angucken kaputt, weiterhin ist ein ausreichender Rundumschutz (vorallem im Rückenbereich) selten gegeben. Die Lösung: Das Ding muss wasserdicht sein, auch ohne Hauben oder ähnlichem Firlefanz.

Für mich war klar dass ich mich für einen Hersteller entscheiden würde, der sich auf  die Outdoortauglichkeit seiner Produkte spezialisiert hat - die meisten meiner Bilder entstehen draußen und "Wetter" ist einfach ein ständiger Begleiter für Landschaftsfotografen. Während mir mein Hirn Vorschläge wie "Ikea-Tasche" oder "Tupperdose" unterbreitet hat, fiel mir an vielen Fahrrädern von stoischen Ganzjahresradlern Taschen von Ortlieb auf - da lag die Vermutung einfach nahe, dass diese Firma in Sachen Regen und Schnee wohl ziemlich viel richtig macht. Gekauft habe ich nach kurzer Beratung schlussendlich eine Messenger-Tasche (Courier Bag 18L) sowie einen Rucksack (Commuter Daypack Urban).

Die Taschen sind aus einem robusten, planenartigem Material gefertigt und die Nähte mit einem Hochfrequenzverfahren wasserdicht verschweisst. Die Anfassqualität ist toll und man merkt direkt das es sich um ein hochwertiges Produkt handelt - das Außenmaterial wirkt derart stabil, dass man sich wohl auch mit einem Messer oder ähnlichem ziemlich anstrengen müsste, um es irgendwie zu beschädigen. Hut ab!

Den Aufbau innen könnte man bei beiden Taschen als rudimentär beschreiben: ein großes Hauptfach, dazu ein Laptopfach (15" passen Locker)  und noch zwei kleine Abtrennungen fürs Handy & Co. - das wars. Man merkt deutlich, dass bei Ortlieb viel Hirnschmalz in die Haltbarkeit und Robustheit der Produkte investiert wird, im Inneren darf man hingegen keine Wunder erwarten.  

 

Wie zur Hölle soll das ganze mit einem Haufen Kameraequipment funktionieren?

 

Mir war natürlich klar dass ich von einer Allroundlösung nicht den ausgefeilten Aufbau eines Fotorucksacks erwarten konnte - Dank Amazon bekommt man dieses Problem allerdings ziemlich gut in den Griff. Hier findet man von diversen Herstellern Inlays/Polstereinsätze für Fotoequipment, in denen der technische Kram sicher verstaut werden kann; dieser wandert dann in die eigentliche Tasche und man hat eine ziemlich praktikable Lösung am Start. Je nach Bedarf wechsele ich die Einsätze oder kombiniere auch mehrere. Diese Herangehensweise ist augenscheinlich sehr flexibel und man kann das Tascheninnere so anpassen wie es das Equipment vorgibt - hier sind viele ausgewiesene Kamerataschen deutlich unflexibler. 18 Liter Füllvolumen wie bei der Messenger-Tasche sind dabei durchaus eine Ansage und ich bekomme locker zwei DSLR-Bodys samt Objektiven verstaut. Total praktisch ist die Möglichkeit, die verbauten Inlays samt Equipment schnell herauszunehmen und die Taschen für andere Zwecke benutzen - das geht bei Fotorucksäcken normalerweise gar nicht oder deutlich schwieriger.

Viel Geld muss man für diese Lösung normalerweise auch nicht ausgeben, online sind die Einsätze oft für wenige Euros zu haben - wobei es doch deutliche Unterschiede bei der Verarbeitungsqualität gibt (ein Blick in die Rezensionen hilft hier ungemein).

 

Nachteile?

 

Oh ja, die gibt es natürlich auch. Während viele Fototaschen diverse Möglichkeiten bieten, schnell an das Equipment zu kommen, muss man bei den Ortlieb-Taschen schon ein bisschen mehr schichten und auch nach Ausrüstung kramen. Was für einen Landschaftsfotografen oftmals kein Hürde darstellt, ist in anderen Bereichen mit größerem Zeitdruck vielleicht ein Problem. Klar kann ich wichtige Dinge so verstauen das sie leicht erreichbar sind; aber ein sekundenschneller Zugriff auf einen Großteil des Equipments? - Nein, das wird nur schwerlich funktioneren. Hochzeitsfotografen und Sportreporter sind dementsprechend vielleicht nicht  für diese Transportoption zu begeistern.

 

Sony A7RIII, 25mm, 55mm, 85mm, Zubehör - alles wasserdicht ohne Regenhaube verpackt. Selbst ein Stativ findet  wettergeschützt Platz

Fazit

 

Neben ein paar Unbequemlichkeiten die ich mit dieser Lösung in Kauf nehmen musste, haben mich doch die vielen Vorteile davon überzeugt, die Taschen häufig einzusetzen. Neben dem flexibel anpassbaren Innenraum sind es vorallem Robustheit und Regenschutz die mich überzeugt haben. DIe Messengertasche hat mich das letzte Jahr fast täglich begleitet und zeigt wirklich keinerlei Abnutzungserscheinungen - man könnte sie so wieder in die Ladenvitrine stellen. Das kann ich von den meisten anderen Kamerataschen die ich besitze nicht wirklich behaupten. 

 

Ortlieb Commuter Daypack Urban ~ 120 Euro

Ortlieb Courier Bag 18L - 140 Euro